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Sonderausgabe 2 des Nachrichtenbulletins des Informationszentrums für Freie Völker 28. November 1996



Ein Autounfall
und das wahre Gesicht des Staates

Am 3. November 1996 rast auf der Autobahn bei Susurluk eine schwarze Mercedes Limousine in einen Lastwagen. Drei der vier Insassen sind sofort tot, der vierte überlebt schwerverletzt. Solch ein Unfall ist in der Türkei an sich nichts ungewöhnliches. Dieser Unfall, vielmehr die Zusammensetzung der Insassen des Mercedes jedoch, erschüttert die ganze Türkei.

Bei dem schwerverletzt aus dem Wagen Geborgenen handelt es sich um den Abgeordneten der Partei des Rechten Weges von Vizeministerpräsidentin Tansu Ciller, Sedat Bucak. Einer der Toten ist Bucaks enger Freund und ehemaliger stellvertretender Polizeichef Hüseyin Kocadag, die zweite Tote ist ein Topmodell aus der Türkei. Der dritte Tote dagegen ist Abdullah Catli, ehemaliger Vorsitzender der Grauen Wölfe in Ankara und seit Jahren steckbrieflich mit einem internationalen Haftbefehl von Interpol gesuchtes Mitglied der Drogenmafia. Abdullah Catli wird auch im Zusammenhang mit dem Papst-Attentat als wahrscheinlicher Komplize des Papst-Attentäters Mehmet Ali Agca gesucht. Darüber hinaus werden in dem Wagen Schnellfeuerwaffen, Schalldämpfer, Abhörgeräte und falsche Pässe gefunden.

Nach diesem Ereignis gab der MIT Spezialist Mahir Kaynak, eine Erklärung der Lage ab. Er gab die Existenz der Konterguerilla zu und sagte, daß sie "gute Dienste für das Vaterland" leiste. Gleichzeitig verriet er damit die Beziehung zwischen dem Geheimdienst MIT und den Mitgliedern der Konterguerilla, sowie der Mafia besteht. Nach Presseberichten wohnten die Insassen des Unfallwagens gemeinsam mit dem ehemaligen Polizeipräsidenten und amtierenden Innenminister, Mehmet Agar im Princess Hotel. Agar verwickelt sich bei seinen Erklärungen in Widersprüchen. Am ersten Tag nach dem Unfall meint er: "Das ist nicht wichtig, ein uninteressantes Ereignis"- am zweiten Tag: "Bucak und Kocadag waren auf dem Weg nach Istanbul um Catli auszuliefern." Am dritten Tag: "Wir haben keine Zeit für diese unwichtigen Ereignisse. " Fünf Tage nach dem Unfall muß er zurücktreten.

Dieser Unfall und die danach zu Tage tretenden Zusammenhänge, erklären vieles, was bisher zwar bekannt war, aber von vielen nicht wahrgenommen wurde. Der türkische Staat wird von Faschismus und Konterguerilla beherrscht. Der Name Mehmet Agar spielt dabei seit Jahren eine große Rolle.

Die Medien deklarieren: "Wir wollen einen Staatsanwalt". Als ob sie nicht wüßten, unter welchem Justizsystem dieses Land regiert wird. Welcher Staatsanwalt und welches Gericht könnten Anklage erheben? Mahir Kaynak gibt eine Antwort darauf: "So einen Staatsanwalt würde man am Boden schleifen". Ja, so einen mutigen Staatsanwalt zu finden ist schwierig, sogar unmöglich. Daß im Staatssicherheitsgericht DGM politische Urteile gefällt werden, ist bekannt. In keinem Rechtsstaat können Erklärungen abgegeben werden wie, "Wenn ausgepackt wird, bedeutet das für viele den Untergang". Und sie werden geschützt. In der Türkei trägt der Faschismus Uniform. Auch die Mörder und die Mafia tragen Uniform. Die Empörung über die durch den Unfall aufgedekten Zusammenhänge ist groß. Aber viele haben Angst darüber zu sprechen.


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